Innerhalb des Systematisierungsansatzes stellt die Bewertung eine zentrale Ebene für die zeitgemäße Prüfungskultur dar. In der Entwicklung eines Prüfungsformats folgen die Überlegungen zur Bewertung auf die Festlegung der Produktdimension und ihrer Ausprägung sowie in der Auseinandersetzung mit der Aufgabenformulierung und den fokussierten Kompetenzen. Gleichzeitig kann während der Überlegungen zur Bewertung auch eine Präzisierung der vorangegangenen Schritte notwendig werden, sodass eine Rückkopplung jederzeit zu prüfen ist.
Grundsätzlich erfordert die Bewertung von Schülerleistungen erfordert transparente, differenzierte und systematische Rückmeldungen, die nicht nur die abschließende Leistungsbewertung unterstützen, sondern auch die individuelle Entwicklung der Lernenden fördern.
Um der Komplexität einer fairen Bewertung gerecht zu werden, kann ein Baukastenprinzip einen Überblick schaffen und dabei unterstützen, wichtige Aspekte nicht aus den Augen zu verlieren und langfristig nicht nur eine Planungssicherheit für Lehrkräfte darstellen, sondern durch sich wiederholende Kriterien auch den Lernenden einen sicheren Handlungsrahmen eröffnen.
Der hier vorgestellte Bewertungsbaukasten bietet ein strukturiertes und anpassungsfähiges Instrument zur Erstellung eines individuellen Bewertungsrasters für alternative Prüfungsformate. Dabei dient der Bewertungsbaukasten als dynamischer Bewertungsrahmen, der es Lehrkräften ermöglicht, eine nachvollziehbare und flexible Leistungsrückmeldung zu geben. Dabei sind die einzelnen Bewertungsbereiche als Empfehlungen zu verstehen, die je nach Prüfungsformat angepasst und kombiniert werden können. Die Spezifika der jeweiligen Prüfungsformate werden stets in deren spezifischer Darstellung berücksichtigt.
Ein Bewertungsbogen muss stets individualisiert werden. Faktoren wie Lerngruppe, Aufgabenstellung, Schwerpunktsetzung, Gewichtung, fachliche Anforderungen sowie sind dabei ebenso zu berücksichtigen wie schulinterne Absprachen. Der Baukasten dient dabei als Orientierungshilfe, die die Lehrkräfte bei der Erstellung eigener Bewertungsraster unterstützt.
Darüber hinaus kann eine Individualisierung durch die Wahl der Bewertungsskala erfolgen. Lehrkräfte können zwischen verschiedenen Skalen wählen, die an die jeweiligen Lernsituationen, die Heterogenität der Lerngruppe und die spezifischen fachlichen Anforderungen angepasst werden können.
Die Erstellung eines einheitlichen Bewertungsrasters für alternative Prüfungsformate kann zudem zu einer besseren Vergleichbarkeit führen und das Fachkollegium entlasten.
Der Bewertungsbaukasten unterscheidet fünf zentrale Bewertungsbereiche, die in ihrer Gewichtung je nach Prüfungsformat variieren können:
Die fünf zentralen Bewertungsbereiche
A. Allgemeine Bewertungskriterien
Dieser Bereich umfasst grundlegende Qualitätsstandards, die unabhängig vom Prüfungsformat gelten. Die formalen Vorgaben beinhalten unter anderem die rechtzeitige Abgabe der Arbeit, um eine verlässliche Korrektur und Rückmeldung zu gewährleisten. Zudem ist bei einem digitalen Format die Verwendung der vereinbarten Dateinamen und -pfade sicherzustellen, sodass eine reibungslose Ablage und Archivierung der Prüfungsleistungen möglich ist. Weiterhin müssen die vereinbarten Regeln und Vorgaben beachtet werden, insbesondere in Bezug auf Formatierungsvorschriften, Umfangsvorgaben oder spezielle fachliche Anforderungen. Schließlich ist eine korrekte Quellenangabe unabdingbar, um die wissenschaftliche Arbeitsweise zu fördern.
B Produktebene
Das Endprodukt wird anhand seiner Qualität und seines fachlichen Werts bewertet. Dabei variieren die Bewertungskriterien je nach Prüfungsformat und können flexibel an die jeweiligen Anforderungen angepasst werden. So können beispielsweise bei einer wissenschaftlichen Arbeit die inhaltliche Tiefe und Argumentationsstruktur im Vordergrund stehen, während bei einer kreativen Produktion die Originalität und ästhetische Umsetzung stärker gewichtet werden. Diese modulare Anpassung ermöglicht eine passgenaue und differenzierte Bewertung, die die individuellen Stärken der Lernenden berücksichtigt.
C Sachebene
Die inhaltliche Qualität und Tiefe der Auseinandersetzung mit einem Thema kann anhand verschiedener Kriterien bewertet werden, die je nach Fach und Themenbereich variieren und von den Lehrkräften individuell festgelegt werden sollten. Mögliche Bewertungskriterien umfassen die angemessene inhaltliche Durchdringung, die beschreibt, inwieweit relevante Aspekte eines Themas erfasst und analysiert wurden. Ebenso kann die Komplexität des Inhalts herangezogen werden, um zu prüfen, in welchem Maß tiefere Zusammenhänge dargestellt und anspruchsvolle fachliche Konzepte einbezogen wurden. Ein weiterer möglicher Aspekt ist die Eigeninitiative der Lernenden, die sich durch das Einbringen zusätzlicher Inhalte oder weiterführender Perspektiven zeigen kann. Zudem kann die Selbstständigkeit in der Auseinandersetzung mit dem Inhalt als Kriterium dienen, indem sie widerspiegelt, inwieweit die Schülerinnen und Schüler eigenständig recherchiert, argumentiert und kritisch reflektiert haben. Diese Kriterien stellen Vorschläge dar und sollten flexibel an die spezifischen Anforderungen der jeweiligen Fachdisziplin und Prüfungsformate angepasst werden.
D (Variable) Ergänzungsebene
Die Ergänzungsebene umfasst drei verschiedene Bewertungsbereiche – Präsentation, Darstellung und Reflexion – die abhängig vom Prüfungsformat und den jeweiligen Lernzielen ausgewählt werden sollten. Je nach Prüfungsformat müssen Lehrkräfte entscheiden, welche der drei Optionen den Fokus der Bewertung bilden. In einigen Fällen kann eine Kombination sinnvoll sein, beispielsweise Präsentation und Reflexion, um sowohl die Vermittlung der Inhalte als auch die kritische Auseinandersetzung mit dem Lernprozess zu berücksichtigen.
E Optional: Peer-Feedback/Reflexion
Die Arbeitsphase, aber auch die Präsentation des Ergebnisses sind wesentliche Elemente, mit denen die Lernenden ihren Wissenszuwachs beeinflussen können. Durch eine Reflexion dieser Phasen lernen die Schülerinnen und Schüler den Wert dieser Phasen wertzuschätzen. Zu bewertende Aspekte können dabei sein:
- Erfolg der Arbeitsphase
- Mitarbeit im Gruppenprozess
- Aktivierende Elemente
- Adressatengerechte Präsentation
- Persönlicher Wissenszuwachs im Lernprozess
- Wissenszuwachs des Zuhörers
F Prozessdokumentation
Die Dokumentation des Arbeitsprozesses stellt einen wesentlichen Bestandteil der Bewertung dar, da sie nicht nur die Transparenz des Lernverlaufs gewährleistet, sondern auch den individuellen Entwicklungsprozess sichtbar macht. Eine gründliche Prozessdokumentation ermöglicht es, methodische Entscheidungen, Herausforderungen und Erkenntnisse während der Bearbeitung eines Prüfungsformats nachzuvollziehen und kritisch zu reflektieren.
Zu den zentralen Aspekten der Dokumentation gehören die Planungsunterlagen und die Prozessdokumentation, die je nach Prüfungsformat angepasst werden sollten. Diese umfassen unter anderem die Strukturierung der Arbeitsschritte, eine chronologische Erfassung des Arbeitsprozesses sowie die Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen.
Mit dem zunehmenden Einsatz von Technologien in Bildungsprozessen spielt der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) eine immer größere Rolle. In der Dokumentation sollte daher erfasst werden, welche KI-Tools verwendet wurden, welche Prompts und Methoden dabei zum Einsatz kamen und inwiefern diese den Arbeitsprozess unterstützt haben. Eine kritische Reflexion über den Nutzen und die möglichen Herausforderungen des KI-Einsatzes ist dabei unerlässlich.
Abschließend sollte die persönliche Entwicklungsreflexion Bestandteil der Prozessdokumentation sein. Dies umfasst eine kritische Betrachtung des eigenen Lernprozesses, die Identifikation erfolgreicher Strategien sowie die Reflexion über Schwierigkeiten und mögliche Verbesserungsansätze. Dabei können Leitfragen helfen, wie zum Beispiel: Welche Aspekte des Arbeitsprozesses haben besonders gut funktioniert? Wo sehe ich noch Entwicklungspotenzial? Welche Erkenntnisse kann ich für zukünftige Projekte mitnehmen?
Die sorgfältige Dokumentation des Arbeitsprozesses ermöglicht nicht nur eine präzisere Bewertung durch Lehrkräfte, sondern unterstützt auch die Lernenden darin, ihre eigene Entwicklung bewusst wahrzunehmen und gezielt weiterzuentwickeln.
Der Bewertungsbaukasten stellt ein strukturiertes, transparentes und flexibles Instrument zur Bewertung alternativer Prüfungsformate dar. Er ermöglicht eine differenzierte und faire Leistungsrückmeldung, die sowohl die individuelle Entwicklung der Lernenden als auch die Vergleichbarkeit innerhalb der Schule unterstützt. Durch die Möglichkeit der Anpassung an verschiedene Prüfungsformate bietet er Lehrkräften eine praxisnahe und nachhaltige Bewertungsmethodik.
Dabei handelt es sich nicht um ein starres System, sondern um eine dynamische Orientierungshilfe, die an die spezifischen Bedürfnisse der jeweiligen Lerngruppe und Lernsituation angepasst werden muss. Der Baukasten dient nicht nur der Bewertung einzelner Prüfungsleistungen, sondern auch der Förderung einer lernförderlichen Feedbackkultur, die über die klassische Notengebung hinausgeht.
Obwohl der Bewertungsbaukasten keine vollständig neue Methodik darstellt und keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, bietet er Lehrkräften und Schulen eine hilfreiche Unterstützung bei der Entwicklung eines flexiblen und transparenten Feedbacksystems. Dies trägt langfristig zur Qualitätssicherung und Weiterentwicklung der schulischen Bewertungspraxis bei.
Der Bewertungsbaukasten wird als anwendbare Version in 2025 veröffentlicht.
Dieser Artikel wurde zusammen mit Anna Hegermann verfasst und steht unter CC-BY-SA 4.0